18. Oktober 2022, 10:52 Uhr
Alle Bewerber:innen um ein Stipendium für Nicht(s)tun werden bis Mai 2023 ihre Talente und Fähigkeiten für andere einsetzen. Diese Entscheidung fiel beim rauschenden Finale des Stipendiums am Samstag, 15. Oktober 2022, im Mobilat Heilbronn. Dort stellten die Stipendiat:innen für Nicht(s)tun ihre mit insgesamt 15.000 Euro geförderten Ideen für ein Leben vor, das keine negativen Folgen für andere Menschen, Lebewesen und die Umwelt hat. Eine davon wird nun bis Ende der Projektlaufzeit der „Hauptstadt der Folgenlosigkeit“ von über 200 Heilbronner*innen in die Stadt getragen.
Sich einer der ausgezeichneten Vorhaben anzuschließen war einzige Bedingung für die Bewerbung um ein Stipendium für Nicht(s)tun, für das über 200 Heilbronner:innen ihre Ideen eingereicht hatten. „Es ist wichtig, dass wir Menschen uns untereinander unterstützen, ohne dass wir dafür immer eine Gegenleistung erwarten. Dazu will ich einen Beitrag leisten. Das Ganze soll jedoch keine Eintagsfliege sein, darum haben wir ein Nichttun-Kollektiv gegründet, über das Menschen einen Teil ihrer Fähigkeiten und Talente anderen unentgeltlich zur Verfügung stellen können,“ sagt Jonas Kachel. Als Stipendiat konnte Jonas Kachel drei Monate lang seine Idee für ein folgenloses Leben im Selbstversuch testen: Er hat sein Wissen als Koch mit privaten Haushalten geteilt und in über 20 unbekannten Küchen in Heilbronn kostenlos mit den dort vorhandenen Zutaten gekocht, um der Verschwendung von Lebensmitteln entgegenzutreten.
Mit dieser Idee hatte sich Jonas Kachel am Finalabend in einer Publikumswahl gegen seine Mitfinalist:innen Angela Manetto, Larissa Sperrfechter und Bastian Eider durchgesetzt. Im Vordergrund des Finales, das von Interventionen des Stadtschreibers Alexander Estis und der Theatergruppe der Wohnungslosenhilfe Heilbronn begleitet war, stand die Frage, wie die Ideen der Stipendiatinnen konkret auf die Stadtgesellschaft übertragen und von den Heilbronnerinnen nachgeahmt werden können. Dem von Jonas Kachel initiierten Nichttun- Kollektiv sind am Finalabend bereits über 50 Personen beigetreten.
Zu den weiteren Stipendiat:innen für Nicht(s)tun: Angela Manetto hat drei Monate lang als Leiterin der Jugendherberge Heilbronn die Speisekarte umgestellt, einmal wöchentlich auf Fleisch verzichtet – und 572 kostenlose, gesunde Mittagessen angeboten. Larissa Sperrfechter hat sich in Konsumverzicht geübt, indem es sich die 31jährige Besitzerin eines Vintage-Shops zur Vorgabe machte, drei Monate lang nichts Neues zu kaufen. Bastian Eider und Benedikt Supper wollen den Blick für Kinderarbeit bei der Rohstoffgewinnung schärfen und appellieren an die Eigenverantwortung und das persönliche Konsumverhalten.
Das Stipendium für Nicht(s)tun ist Herzstück des urbanen Versuchslabors „Hauptstadt der Folgenlosigkeit“, das in einer einmaligen Kooperation von über 20 Akteur*innen und Institutionen in Heilbronn der Frage nachgeht, wie wir zukünftig leben wollen. In einem vielseitigen Veranstaltungsprogramm stellt das Kunst- und Stadtentwicklungsprojekt bis Mai 2023 die Folgenlosigkeit auf den Prüfstand – als Ideal, Utopie und Chance.