Folgenlose Fotografie?!
01. Mai 2022, 15:47 Uhr — adm
Im Gespräch mit Nico Kurth. Er ist Fotograf und wird die »Hauptstadt der Folgenlosigkeit« fotografisch porträtieren. Seine Bilder werden im Rahmen der reflexiven Abschlussausstellung im Kunstverein Heilbronn zu sehen sein.
Zur Person:
Nachdem ich in Brandenburg seit 1985 eine aufregende Jugend verbracht und in der Dunkelkammer s/w-Handabzüge gemacht hatte (typisch für eine gute Fotografen-Biografie), war mir klar, dass es hier noch mehr zu entdecken geben musste. So studierte ich in Jerusalem und Moskau, assistierte bei namhaften Fotografen in Berlin und Düsseldorf und arbeitete an freien Projekten, etwa in Belfast »Good Walls Make Good Neighbours«. Für meine Diplomarbeit »NIKOSIA the last divided capital« dokumentierte ich die Grenzregion zwischen Zypern und der Türkischen Republik Nordzypern. Das Interesse meiner eigenen Fotoprojekte galt schon immer sozialen und gesellschaftlichen Themen. Nach Abschluss meines Fotografiestudiums 2013 an der FH Dortmund arbeitete ich an verschiedenen Aufträgen und kam über Umwege nach Heilbronn, wo ich seit 2014 mit meiner Frau und bald drei Kindern lebe. Hier arbeitete ich 9 Jahre lang für ein Industrieunternehmen als Content Creator für Foto- und Videoproduktionen. Neben der konzeptionellen Arbeit an Langzeitprojekten fotografiere ich Portraits und Reportagen im Editorialbereich für Spiegel, Focus, WirtschaftsWoche, Zeit Magazin, u.a. aber auch für Firmen und Agenturen. Die verschiedenen fotografischen Bereiche zu bedienen und damit unterschiedliche Perspektiven einnehmen zu können, ist für mich sehr erfüllend, weswegen ich mich dem Projekt »Hauptstadt der Folgenlosigkeit« in einem künstlerischen Prozess auseinandersetzen werde.
Was sind die Pläne für Heilbronn? Wie willst du dich fotografisch/ künstlerisch mit der Folgenlosigkeit auseinandersetzen?
Nach unserem ersten Treffen und inspiriert durch die Auseinandersetzung mit dem Thema Folgenlosigkeit hat sich bei mir direkt eine neue Sichtweise eingebrannt. Plötzlich sah ich überall sich wiederholende Muster, Formen und Strukturen sowie absurde Banalitäten des Alltags, die wunderbar zum Thema passen. Um spontane auf mögliche Motive reagieren zu können, habe ich beschlossen, die Arbeit mit dem Handy zu fotografieren. Für mich als sonst eher technischer Fotograf eine völlig neue Arbeitsweise, die aber durchaus ihre Vorteile hat, da ich mich mehr auf das Motiv konzentrieren kann. Überhaupt sind Handyfotos für mich die »folgenloseste« Form der Dokumentation. Durch die ständige Verfügbarkeit wird jederzeit alles festgehalten und die Fotos verbleiben oft für immer auf den Geräten, um dort in Vergessenheit zu geraten. Was genau mit meinen Fotos passiert kann ich im Moment noch nicht beantworten, merke aber, dass durch das ständige sammeln immer wieder neue Konnotationen entstehen. Neben der ästhetischen Stringenz, die für mich maßgeblich ist, erkenne ich immer mehr die Ambivalenz der Dinge. Durch die Gegenüberstellung von kitschigen Kirschblüten und trist anmutenden Müllbergen entsteht ein neuer Kontext. Folgenlos bedeutet für mich auch immer belanglos - so erscheinen viele Fotos auf den ersten Blick. Durch eine bewusste Bildkuratierung zur Präsentation auf der Abschlussausstellung im Kunstverein Heilbronn (Mai 2023) werden die Fotos dann aus der Belanglosigkeit entzogen - oder eben auch nicht. Ergänzt werden soll die Multimediale-Installation durch Fragmente poetischer Texte und Soundcollagen.
Was bedeutet Folgenlosigkeit für dich und dein Schaffen?
Verzicht.
